Solidarität ohne gleichförmigkeit

2020

In Para-Plattformen Die Raumpolitik des Rechtspopulismus, Markus Miessen & Zoë Ritts (Hrsg.), Aus dem Englischen von Uli Nickel, (Berlin: Merve Verlag), 2020. Link. German translation of "Solidarity without Sameness".

Die Frage, was es bedeutet, ein Mensch zu sein, was Menschlichkeit heute bedeutet, stellt sich wieder als Folge des Anthropozäns – jener geologischen Epoche, die von Menschenhand entfesselt wurde, in der wir Menschen uns anschließend zu einem ›Wir‹ weiterentwickelt haben, als kollektive Subjekte der Naturgeschichte.73 Diese missliche Lage deutet gleichzeitig auf unsere Herrschaft über die Welt hin, während sie uns bescheiden als gewöhnliche Spezies-Kreaturen mit anderen Lebensformen umschmeichelt, die durch unsere eigene Kraft in einem Zustand potenter Impotenz bedroht sind. Hinzu kommt etwas, das zum Teil mit dem Anthropozän zusammenhängt: Technologischcomputergestützte Entwicklungen haben begonnen, unsere biologisch- physischen Grenzen zu verschieben, und sind darüber hinaus angetreten, die Konturen anthropomorpher Intelligenz, die wir einst als nur uns definierende Eigenschaft betrachteten, zu verwischen. Alles zusammengenommen scheint es, als lebten wir in der Vorgeschichte von etwas radikal Anderem, bei dem das menschliche Selbstverständnis instabil ist, ständigen Veränderungen unterworfen ist, und eine neue, unbekannte Welt an der Schwelle ist, Realität zu werden.74 Die Bandbreite theoretischer und praktischer Reaktionen auf diesen Zustand ist so vielfältig und polarisiert wie ein Twitter-Krieg – von denen, die blindlings die Überwindung des Menschlichen durch maschinelle ›Perfektion‹ um jeden Preis verfechten, bis hin zu denen, die den Verlust unserer ›lebenswichtigen Menschlichkeit‹ beklagen, wobei die von uns begangenen Gräueltaten aus dem Gedächtnis gelöscht werden.

-Excerpt

Patricia Reed, "Solidarität Ohne Gleichförmigkeit", in Para-Plattformen Die Raumpolitik des Rechtspopulismus, Markus Miessen & Zoë Ritts (Hrsg.), Aus dem Englischen von Uli Nickel, (Berlin: Merve Verlag), 2020. Link